Der Reiz des knappen Etats | stores+shops

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Der Zalando-Store in Frankfurt ist durchaus als Outlet erkennbar, jedoch trägt er sichtbar eine Design-Handschrift. Die meisten Ladenbauelemente sind Sonderfertigungen. (Foto: Fachfotografie Jean-Luc Valentin, Frankfurt)

Der Reiz des knappen Etats

„Einfach mal machen“: Wenn Online-Pure-Player stationäre Stores eröffnen, gehen sie an die Planung und Umsetzung meist unbefangen heran: Ärmel hochkrempeln und los geht’s. Knappe Budgets werden dabei nicht als Bürde begriffen, sondern befeuern die Kreativität und bringen mitunter smarte gestalterische Lösungen hervor.

Hamburg, Schanzenviertel. Schon von Weitem leuchtet die strahlend weiße Fassade mit dem filigranen schwarzen Schriftzug „Edited“. Schlicht und schön wirkt die Außenansicht des ersten stationären Stores des Mode-Eigenlabels von Collins, der Online-Tochter der Otto-Group, in der leicht räudigen Umgebung der Schanzenstraße. Der Effekt einer gelungenen Fassadengestaltung lässt sich hier gut beobachten: Fast jede Frau, die vorbeikommt, bleibt stehen, viele betreten das Geschäft, das auch innen hell und freundlich ist: weiß gestrichene Wände und Holzdielen, weißer Thekenkubus, weiße Stuckdecken, Kabinen mit Schwingtüren, weiße Regale an der Rückwand, dazu Schwarz an den eckigen Kleiderstangen oder dem Metallspalier, das als Pinnwand für Modefotos aus dem Edited-Lookbook dient. Marmortischchen und Schmucktabletts sind nicht zufällig quadratisch. Da Edited sich als besonders social-media-affines Label versteht, ist das Format auf Instagram-Fotos zugeschnitten.

Die Otto-Tochter Collins hat auf der rauen Hamburger Schanzenstraße mit Edited einen schlichten, aber feinen und eleganten Mode-Store eröffnet. (Foto: Otto Group)

Die Otto-Tochter Collins hat auf der rauen Hamburger Schanzenstraße mit Edited einen schlichten, aber feinen und eleganten Mode-Store eröffnet. (Foto: Otto Group)

Social-Media-Bezug auch bei den Spiegeln, die zu Selfies und einem Gewinnspiel einladen. Auf iPads kann man sich für den Newsletter anmelden, in Sitzecken liegt das Corporate-Magazin aus. Eine Wand in Softeis-Rosé setzt einen zarten Farbakzent. Sehr fein und stylisch wirkt das alles, das Sortiment – Mode für junge Frauen in kommerziellen Preislagen – wird von einem besonders energiesparenden Beleuchtungssystem in Szene gesetzt. Für ein zu jeder Jahreszeit angenehmes Klima sorgt die High-End-Klimaanlage für vier Zonen.

„Unser Ziel war es, die CI von Edited.de auch offline zu übersetzen und für unsere Kunden physisch erlebbar zu machen“, sagt Franziska Nellessen, Head of Content and Communication von Edited und hauptverantwortlich für die Gestaltung des Stores. „Sobald ein Kunde die Website Edited.de besucht, taucht er in unsere Marken-Welt ein – dasselbe gilt auch für den neuen Laden.“ Der Store soll den Kreis schließen, es ist eine Verschränkung der virtuellen mit der realen Welt, aber „unsere Herkunft ist online, und das zeigen wir auch im Store“. Store-Konzept und Interior-Design beruhen weitgehend auf eigenen Ideen, Ladenbau und Möblierung hat der den Store betreibende Kooperationspartner in Zusammenarbeit mit einem Schlosser übernommen; all das ging innerhalb weniger Wochen über die Bühne.

Wenn Online-Pure-Player stationäre Geschäfte eröffnen, dann ist die Herangehensweise so unterschiedlich wie die Persönlichkeiten, die dahinter stehen, sei es pragmatisch oder impulsiv, emotional oder so strategisch wie bei Edited. Gemeinsam ist ihnen meist eines: Das Budget für Storekonzept und Ladenbau ist mit spitzem Stift kalkuliert. Aber vielleicht macht der knappe Etat ja gerade den Reiz aus. Ein Metallspalier zum Beispiel, das bei Edited als Foto-Pinnwand dient, ist im Baumarkt zum kleinen Preis erhältlich. Schwarz gestrichen im stylischen weißen Ambiente wirkt es durchaus wertig.

Clever improvisiert

Shoepassion.com ist ein in Berlin ansässiger Online-Anbieter für klassische Herren- und mittlerweile auch Damenschuhe. Die Zimmermannsnägel, die in den stationären Stores von Shoepassion in den Rückwänden als Schuhhalterungen dienen, sehen aus wie eine individuelle kreative Lösung, und die aus alten Holzpaletten gestapelten Präsentationstische wirken urig. „Wir haben so viel Ware auf Paletten bekommen, dass wir irgendwann fast darin untergegangen sind“, erinnert sich Tobias Börner, Unternehmenssprecher von Shoepassion.com. Also wurden Paletten in das Ladenkonzept eingebaut, „und jetzt sind sie fester Bestandteil unserer CI mit Wiedererkennungswert“, genau wie die grüne Wandfarbe, die gestapelten Holzscheite, die Rohrleitungen und die rohen Holzbohlen an Wänden.

Der Shoepassion-Store in Hamburg hat richtig Ambiente und Charme mit Holzpaletten als Mittelraummöbel, rohen Holzbrettern als Wandregalen sowie Zimmermannsnägeln in der Wand als Schuhträger. (Foto: Shoepassion)

Der Shoepassion-Store in Hamburg hat richtig Ambiente und Charme mit Holzpaletten als Mittelraummöbel, rohen Holzbrettern als Wandregalen sowie Zimmermannsnägeln in der Wand als Schuhträger. (Foto: Shoepassion)

Das gesamte Storekonzept haben die Gründer selbst ersonnen, „und dann sind wir rausgegangen und haben alles selbst aufgebaut“. Die Grundriss-Planung wird mithilfe eines CAD-Programms selbst gemacht, für die Umsetzung ist heute ein festangestelltes dreiköpfiges Store-Aufbauteam zuständig. „Das sind Multitalente“, sagt Tobias Börner. Sie bearbeiten die Hölzer in der eigenen Berliner Werkstatt, bevor sie alles vor Ort einbauen.

Am Anfang haben die Shoepassion-Macher durchaus Lehrgeld bezahlt, insbesondere was Details und Beleuchtung anbelangt. „Aber wir haben recherchiert und Lichtkonzepte entwickelt“, sagt Börner, „es ist halt ein Lernprozess.“ Und während anfangs vor Ort „noch ein wenig nachgebessert werden musste, sind wir inzwischen gut in der Lage, so einen Shop innerhalb von drei, vier Wochen hochzuziehen.“ Auch die Shoepassion-Macher bringen „digitale Momente in die Offline-Welt“, im Münchner Store zum Beispiel durch einen weißen Riesen-Schuh in Größe 65, der durch 3D-Animation seine Form verändert, während daneben Geschichte und Eigenschaften des jeweiligen Schuhtyps eingeblendet werden. Die Verbindung von Offline und Online noch weiter auszubauen ist die Zielsetzung für die Zukunft.

Mymuesli im typischen schlichten, cleanen weißen Look (Foto: Mymuesli)

Mymuesli im typischen schlichten, cleanen weißen Look (Foto: Mymuesli)

Genau wie bei Mymuesli. Das Start-up wurde 2007 als Onlineshop für individuelle Müsli-Mischungen gegründet und eröffnete 2009 den ersten seiner inzwischen 30 stationären Stores – nicht aus strategischen Überlegungen heraus, sondern, so Max Wittrock, einer der drei Gründer, „weil wir einfach mal einen Laden aufmachen wollten.“ Auch Mymuesli hat sich zum Ziel gesetzt, die virtuellen und physischen Kanäle noch besser miteinander zu verknüpfen (siehe Interview). Dass „der Kunde versteht, dass wir ein Multichannel-Händler sind, finden wir total wichtig“, sagt Wittrock. Der stationäre Store soll die Möglichkeit geben zu fühlen, zu probieren, zu kommunizieren. Die Möblierung soll hinter dem Produkt zurücktreten, das Design ist daher maximal schlicht, sehr clean, sehr aufgeräumt, mit Weiß und Holz als vorherrschenden Elementen, alles in helles LED-Licht getaucht. Immer noch „arbeiten wir extrem kostenbewusst“, sagt Max Wittrock. Man habe auch „einen Premiumanspruch, der im Laden reflektiert sein muss.“

Nicht in Schönheit sterben

Arnd von Wedemeyer ist Gründer und CEO des Onlineshops Notebooksbilliger.de. Er sagt über seine mittlerweile vier stationären Stores: „Wir wollen nicht in Schönheit sterben, sondern ein möglichst breites Sortiment übersichtlich und neutral darstellen.“ Schließlich versteht man sich als Discounter. Das Storedesign entstand in Zusammenarbeit mit hauseigenen Architekten. Wedemeyer: „Tegometall-Regale, Holz, Gips und Farbe“, mehr brauche er dafür nicht. Zwar wurde das Farbkonzept des Web-Auftritts auf die Fläche übertragen, aber ob der Kunde im Store dies erkennt, „ist uns total egal“, so Wedemeyer. Vor allem günstig muss der Ladenbau sein, auch auf der jüngsten und größten, als Concept Store konzipierten Fläche in Laatzen, auf der Wedemeyer neue Sortimente testen will.

Bei Notebooksbilliger heißt es: „Wir wollen nicht in Schönheit sterben.“ Dafür weist der Store in Hannover ein straightes, homogenes Ladenbild mit Techno-Charme auf. (Foto: Notebooksbilliger)

Bei Notebooksbilliger heißt es: „Wir wollen nicht in Schönheit sterben.“ Dafür weist der Store in Hannover ein straightes, homogenes Ladenbild mit Techno-Charme auf. (Foto: Notebooksbilliger)

Kreative Lösungen sind gefragt. Wenn man beispielsweise die für die Kabelführungen aus den Regalen heraus erforderlichen Löcher selbst bohrt und mit einfachen Gummidichtungen versieht, erläutert Wedemeyer, könne man mehrere Tausend Euro einsparen. Auch für die Anforderung, alle Geräte im Store, die eigenen wie die der Kunden, in einem Wlan-Netz unterzubringen, wurde eine Speziallösung entwickelt. Auf Info-Terminals für Kunden im Store verzichtet Wedemeyer mittlerweile, daran sei niemand interessiert.

In den beiden Zalando-Outlet-Stores in Berlin und Frankfurt, in denen Überhang-Ware abgesetzt wird, spielt Ästhetik eine große Rolle: „Wir sind davon überzeugt, dass Outlets sich nicht ausschließlich über den Preis definieren sollten“, meint Dorothee Schönfeld, Geschäftsführerin der Zalando-Outlets. Eine klare Kundenführung, die optimal durch das Sortiment leitet, ein ansprechendes Storedesign sowie Aktionen und Events seien „wichtige Säulen“. Der Kunde soll auf den ersten Blick erkennen, „dass es sich um einen Fashion-Store handelt – auch wenn wir ein Outlet sind.“

Es ist Zalando gelungen, eine überzeugende ästhetische Entsprechung zum Online-Auftritt zu finden. Das quantitativ schier überwältigende Angebot im 2.500 qm großen Frankfurter Store, der kürzlich ein Facelift erhielt, wird nach dem einfachen Ordnungsprinzip „Damen“, „Herren“, „Kinder“ sowie „Warengruppe“ und „Größe“ gegliedert. Helle, unbehandelte Seekiefer ist das omnipräsente Material für die Möblierung, dazu schwarzer Stahl für Kleiderstangen und Orange als Akzentfarbe zum Beispiel für Wegweiser, des Weiteren offene Decken und markante Beleuchtung, beispielsweise durch Neon-Inszenierungen im Eingangsbereich. An Terminals können die Kunden sich für die Outlet-Kundenkarte registrieren. Verantwortlich für Konzeption, Entwurf und Ausführung inklusive Bauleitung war das Frankfurter Architekturbüro 1100 Architekten Riehm + Piscuskas BDA.

Da die meisten Elemente der Zalando-Outlets Sonderanfertigungen sind, hat der Ladenbau laut Dorothee Schönfeld auch seinen Preis. Geplant wird gemeinsam mit Architekten, die Umsetzung erfolgt durch lokale Handwerker. IT und Facility-Management werden von der Berliner Zentrale aus gesteuert. Auch Zalando musste in seinen Stores die Erfahrung machen, dass das richtige Beleuchtungskonzept eine Herausforderung darstellt, und da die hohe Kundenfrequenz ihren Tribut fordert, musste man auch hinsichtlich der Strapazierfähigkeit der Oberflächen dazulernen. Ob das Zalando-Outlet tatsächlich als Fashion-Store wahrgenommen wird? Für all die Studentenpärchen, die Schülerinnen und Mütter mit Kinderwagen, die Frauen mittleren oder fortgeschrittenen Alters und auch die jungen Männer in Business-Anzügen, die hier suchen und finden, probieren und kaufen, ist es jedenfalls unübersehbar ein Ort, an dem sie sich wohlfühlen.

Fotos (5): Fachfotografie Jean-Luc Valentin / Frankfurt (1), Otto Group (1), Shoepassion (1), Mymuesli (1), Notebooksbilliger (1)

Weitere Informationen: www.edited.de , www.shoepassion.com , www.mymuesli.com , www.notebooksbilliger.de

Steile Lernkurve

Max Wittrock, einer der drei Gründer von Mymuesli.com, über den Lernprozess, den man als Online-Pure-Player bei der Planung und Umsetzung stationärer Stores durchläuft.

Welche Aspekte des Storedesigns haben Sie anfangs unterschätzt?

Wir haben zum Beispiel nicht gewusst, wie viel Fläche man für das Lager braucht, wie hell so ein Laden sein muss und dass man mit der Beleuchtung Akzente setzen muss. Wir sind damals bei der Planung sehr vom Objekt ausgegangen und haben aus dem Bauch heraus agiert. Wir hatten ja nicht einmal einen Ladenbauer. Aber auch nach 30 Stores ist die Lernkurve noch steil.

Welche Erkenntnisse haben Sie inzwischen gewonnen?

Wir haben heute ein Store-Expansions-Team und arbeiten mit zwei Ladenbauern zusammen. Bei einem Start-up, das in so einer Geschwindigkeit Läden eröffnet, wie wir das tun, muss man als Ladenbauer extrem flexibel sein und sehr gut mit Kosten umgehen können. Außerdem haben wir manchmal auch verrückte Zeitpläne, wie gerade in diesem Herbst, als wir jede Woche einen Store eröffnet haben. Das muss man als Ladenbauer erst mal schultern.

Wie hat sich Ihr Ladenbau im Laufe der Zeit weiterentwickelt?

Wir wollen hochwertige Materialien einsetzen und trotzdem flexibel sein. Wir müssen in einem Laden auch mal etwas verändern können, denn man verändert sich ja auch als Unternehmen. Dank unserer Ladenbauer sind wir mittlerweile modularer geworden – man kann Möbel umstellen und neu kombinieren, ohne gleich Einbauten entfernen zu müssen. Für 2016 haben wir uns vorgenommen, den Onlineshop noch besser in die Läden zu integrieren und die Kanäle perfekt miteinander zu verknüpfen, daher arbeiten wir gerade an einer mobilen App.

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