Interview: Plädoyer für eine neue Lichtplanung

Herr Vedder, Sie gelten als Befürworter eines schnellen Umstiegs auf LED-Beleuchtung im Handel. Auf dem EHI-Energiemanagement-Kongress im November 2018 war nun aber zu hören, dass die erhofften Einspareffekte nach der Umrüstung auf LED bei manchem Handelsunternehmen offenbar ausgeblieben sind. Ein Zuviel an Licht auf der Verkaufsfläche soll die gewünschten Stromspareffekte konterkarieren.

Das kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen. Wir haben beim Eins-zu-eins-Austausch tatsächlich oft ein zu hohes Helligkeitsniveau erzielt. Das gilt im Übrigen ja für viele Beleuchtungen. Statt Strom zu sparen, fluten wir unsere Lebensräume vor allem im städtischen Bereich mit gleißend hellem Licht – weltweit. Dennoch bleibe ich dabei, dass es aus meiner Sicht wirtschaftlich wie gestalterisch keinen Grund gibt, noch länger mit der Umrüstung auf LED zu warten.

Was heißt das konkret für die Beleuchtung im Handel?

Man darf bei der Umrüstung nicht nur auf die physikalischen Daten achten. Viele Wirkmechanismen des Lichts sind durch die nicht dimmbaren Entladungslampen in Vergessenheit geraten. Aber: Immer, wenn es, wie im Handel, um Emotionalisierung und Verlockung geht, erzielt eben nicht das besonders helle Licht diese Effekte, sondern die gezielt, differenziert und nuanciert eingesetzte Beleuchtung, die eine schöne Lichtmodulation bewirkt. Und wir haben erkannt: Ein etwas abgesenktes Lichtniveau trägt dabei ganz oft zu einem Upgrading der Warenpräsentation und der gesamten Verkaufsfläche bei. Das ist entscheidend für die emotionale Wirkung, nicht die Helligkeit.

Integrativer Teil der spektakulären Inszenierung im Modehaus L + T in Osnabrück ist das Lichtkonzept
Foto: Vedder Lichtmanagement

Wird die Beleuchtung dadurch teurer?

Moderne elektronische Steuerungssysteme in Verbindung mit LED-Lichttechnologie sind optimal, um die Beleuchtung bedarfsgerecht zu regulieren und Energie zu sparen. Ein Beispiel dafür ist das Modehaus L&T in Osnabrück. Das gesamte L&T-Team hat in einem aufwändigen Testverfahren die für das Unternehmen bestmögliche Lichtqualität ausgewählt – sich aber auch als einer der ersten Anwender dafür entschieden, die Lichtanlage über ein Steuerungssystem zu regulieren. Damit hat das Unternehmen das Ziel einer attraktiven und emotionalen Lichtgestaltung mit einer optimal gesteuerten Lichtmenge zusammengeführt – und kann Stromspareffekte realisieren.

Kann es sein, dass Händler und Ladenplaner bei der LED-Umrüstung teilweise falsch beraten werden?

Ja. Es ist im Bereich Shopbeleuchtung nicht sinnvoll, allein einen Energieberater zu Rate zu ziehen, dessen Fokus die Senkung des Energieverbrauchs ist. Und auch in der Lichtindustrie, die die Beratungs- und Planungsleistungen „im Paket“ mit ihren Produkten anbietet, kommt es zu Interessenkonflikten, die einer unabhängigen qualifizierten Beratung und Planung entgegenstehen.

Was macht ein unabhängiger Lichtplaner?

Er arbeitet anders, nicht nur mit physikalischen Methoden. Ein Beispiel aus dem LEH: Licht signalisiert dem Kunden durch eine gute Farbwiedergabe etwa in der Obst- und Gemüseabteilung, dass die Ware frisch ist und schafft damit Vertrauen – das ist es, was Kunden emotional anspricht und zum Kauf animiert. Der Lichtplaner nutzt also auch die unbewusste psychologische Wirkung, um das beste Licht für die Präsentation zu bestimmen.

Sie sind Vorstandsmitglied und Mitgründer der 2014 gegründeten europäischen Lichtplaner- und Lichtdesigner-Vereinigung FILD. Welches Ziel verfolgt FILD?

Dieser Zusammenschluss hat vor allem damit zu tun, dass die derzeitigen Normen, die die Beleuchtungsqualität unserer Umwelt gewährleisten sollen, um ein Jahrzehnt hinter den positiven Eigenschaften der heute zur Verfügung stehenden LED-Technologie „herhinken“. Solange wir nur auf Energieeinsparung und technische Daten schauen, ohne mit guten Lichtkonzepten die Funktionalität von Licht zu steigern, ist noch nichts getan. Diese Aufgabe aber kann nur ein entsprechend qualifizierter Fachplaner leisten. Deshalb strebt FILD an, Lichtplanung und Lichtdesign als klares Berufsbild zu etablieren und zum Beispiel über ein Hochschulstudium mit europaweit gültigen Ausbildungsinhalten zu versehen. Das Ziel ist: Lichtexperten sollen die neuen Möglichkeiten der LED-Technologie erschließen und nutzbar machen.

Wie sieht Ihre Vision von der Zukunft der Shopbeleuchtung aus?

Licht mit seiner emotionalen Komponente ist aus meiner Sicht der zentrale Punkt dafür, dass Menschen auch in Zukunft gerne im stationären Handel einkaufen gehen, diesen als attraktive Erlebniswelten mit hohem Freizeitwert schätzen. Es gibt genügend Händler, die uns das heute bereits vermitteln wie Leffers, Konen, P&C, Kastner & Öhler und andere. Dies gilt ebenso für den Lebensmittelhandel. Wir sprechen hier über die hohe Kunst der Lichtgestaltung, die den Menschen auf der Verkaufsfläche ernst nimmt mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen.  

Reinhard Vedder, Vedder Lichtmanagement
Foto: Vedder Lichtmanagement

Weniger bewirkt mehr

Reinhard Vedder hat sich nach Abschluss seines Architekturstudiums an der RWTH Aachen auf die Inszenierung mit Licht spezialisiert und ist als unabhängiger Lichtdesigner tätig. Er verfolgt nach eigener Aussage einen strikt qualitativen Ansatz. Die Maxime „Weniger bewirkt mehr“ ist für ihn der Schlüssel zu lebendigen Lichtinszenierungen bei Reduktion des Energieeinsatzes. Reinhard Vedder ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der FILD – Federation of International Lighting Designers e.V., einem Berufsverband freier und unabhängiger Lichtplaner.