Gartenmärkte: Mehr Identität wagen | stores+shops

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Blumen-Lifestylekonzept in Schwarz und Beton-Look bei Blumen Gaab in Landau (Foto: Schwitzke & Partner)

Gartenmärkte: Mehr Identität wagen

Asia- und Naturgarten, Kräuterküche, Urban Gardening, Produkte aus der Region und die Grillkultur – der Garten- und Pflanzen-Handel verkauft lebendige und positiv besetzte Themen. Nur: er nutzt die emotionalen Werte seiner Ware zu wenig. Positiv-Beispiele zeigen, wie das gelingen kann.

In Zürich eröffnete vor rund einem Jahr ein Garten-Store neuen Formats. Hier lädt ein schwerer Arbeitstisch mitten auf der Ladenfläche förmlich dazu ein, die Handschuhe überzustreifen und zu Gartenschaufel, Erde und Sämling zu greifen. An manchen Abenden wird hier eingetopft und gefachsimpelt. Und so soll es auch sein.

Veg and the City in Zürich hat seine Nische im Trendthema Urban Gardening gefunden.

Veg and the City in Zürich hat seine Nische im Trendthema Urban Gardening gefunden.

Veg and the City, so der Name des Stores, fokussiert das Urban Gardening. Die Kurse übers moderne Gärtnern auf kleiner Fläche in der Stadt sind stets ausgebucht. Neben dem Verkauf der Ware gehört die Vernetzung der Stadtgärtner und der neuen Generation innerstädtischer Schrebergärtner zum Konzept. Und schließlich organisiert und vermietet der Store innenstadtnahe Mietbeete für Großstädter, die ihr Gemüse selber pflanzen und ernten wollen. Substrate in kleinen Mengen, Bio-Saatgut und ein spezialisiertes Sortiment aus Platz sparenden Pflanzgefäßen und „die ausführliche Beratung durch die Mitarbeiter, die die Kunden und deren Themen inzwischen kennen“, beschreibt Gudrun Ongania, Gründerin und Geschäftsführerin des Stores, ihr Erfolgsrezept in der Trend-Nische. Trotz seiner geringen Größe und der für den Gartenhandel untypischen Lage vereint Veg and the City eine ganze Reihe innovativer Ansätze, die auch den recht unscharf konturierten Bereich der größeren Garten-Center und -fachmärkte, Garten- und Pflanzen-Einzelhändler und Einzelhandels-Gärtnereien bewegen.

Da gibt es auch noch die Gärtnerei Wielander in Meran, die mit ihrem Umbau vor rund einem Jahr das Warmhaus mit einem Kalthaus ergänzte und den herkömmlichen Kassentisch gegen eine eindrucksvolle, 28 m lange Bedientheke austauschte. Parallel dazu wurde der Personalbestand signifikant aufgestockt. Die Idee dahinter: Kunden sollten begrüßt und sodann auf ihrer Shopper-Journey von einem fach- und sachkundigen Mitarbeiter durch das Sortiment begleitet werden. Individuelle Kundenpflege und -beratung sowie ein klares Bekenntnis zu maximaler Service-Orientierung sollen die Marke Wielander fürderhin formen. Das Signal wurde verstanden, das Prinzip funktioniert nach eigenen Aussagen hervorragend.

Deutlich ragt auch das „Lebenswelten“-Konzept der Müller Lebensraum Garten GmbH in der Gemeinde Mauer bei Heidelberg aus dem Rahmen des Üblichen heraus. Nach einer zweijährigen Planungsphase eröffnete die Traditions-Baumschule Müller 2009 ihren Endverkaufsbetrieb neu, der seitdem konsequent auf Zielgruppen und deren Stilwelten ausgerichtet ist. Sortiment und Inszenierung ordnen sich Bereichen unter, die „asiatisch“, „mediterran“ oder „romantisch“ heißen. Die Mitarbeiter sind diesen „Lebenswelten“ zugeordnet – und legen seither ein viel höheres Verantwortungsbewusstsein an den Tag, berichtet Geschäftsführer Christian Müller. Sein Fazit nach mehreren Jahren: „Eine Steigerung um 100 Prozent. Mit diesem Konzept und einem guten Marketing ist es uns gelungen, die Wiederbesuchshäufigkeit und die Aufenthaltsdauer und -qualität zu verbessern und eine viel höhere Kundenfrequenz zu erzielen.“

Mehr Kundenorientierung

Individualkonzepte wie diese zeigen, dass auch in der Liga der Gartencenter jahrzehntelang erprobte Handelsstrukturen hinterfragt und an einigen Stellen neu aufgestellt werden. Beobachter und Planungsexperten finden, das sei auch bitter notwendig. Einzelhandelsexperte Daniel Schnödt, der das „Lebensraum“-Konzept entwickelt hat, sagt: „Wie viele andere Branchen multipliziert der Garten-Bereich bestehende Konzepte ohne weitere Reflexion. Dabei wird oft vergessen, den Kunden zu betrachten. Der Sortimentsdarstellung fehlt oft die Kundenorientierung. Im Pflanzen- und Garten-Bereich nach Themen einzukaufen und zu inszenieren stellt natürlich einen bedeutenden Mehraufwand dar.“

Klaus Schwitzke, geschäftsführender Gesellschafter der Schwitzke GmbH meint das auch: „In der Gartencenter-Branche herrscht starker Nachholbedarf. Viele Gartencenter funktionieren immer noch aus ihrer eigenen Logik heraus und bilden Sortimente so ab, wie sie sie mit dem geringsten Kostenaufwand umsetzen können. Das hat oftmals nichts mit dem Kundennutzen zu tun.“

Bei Waffenschmidt in Russikon bei Zürich wurde die kathedrale Wirkung der Halle genutzt. (Foto: Waffenschmidt)

Bei Waffenschmidt in Russikon bei Zürich wurde die kathedrale Wirkung der Halle genutzt. (Foto: Waffenschmidt)

Als verderbliche Güter bedürfen Pflanzen am POS der Pflege. Praktikabel und funktional muss eine Ausstattung dafür sein, keine Frage. Der hohe Wartungsbedarf drängt ästhetische Aspekte der Inszenierung oft in den Hintergrund. Dabei besitzen Pflanzen den einmaligen Vorzug, bei den Kunden zu den uneingeschränkt positiv belegten und an sich schon emotionalen Produkten zu gehören – wie eigentlich die meisten Zusatzsortimente auch, ob Freizeit-Artikel, Haustier-Bedarf oder Grillzubehör. Verpasste Chancen, meint Olaf Mörk von Wanzl. „Pflanzen sind das lebendigste Thema überhaupt. Es ist erstaunlich, wie wenig Kapital die Garten-Center aus dieser Tatsache schlagen. Events rund ums Thema Garten, eine schöne Café-Ecke, wie man es schon aus den Supermärkten kennt, hier vielleicht zwischen Orchideen und Palmen – der Erlebnisfaktor wird leider oft ausgeblendet.“

Die Gartenmarkt-Landschaft spaltet sich in zwei Fraktionen, beobachtet Matthias Golze von Schneider Golze Ladenbau: zum einen die großen Filialisten, die produktgetrieben agieren und auf den schnellen Absatz der verderblichen Massenware setzen. Typische Vertreter sind die Garten- und Freizeit-Abteilungen der DIY-Branche, die mit ihren Pflanzen, Hobby-, Tier-, Gartenmöbel- und Zubehör-Bereichen einen beträchtlichen Teil ihrer Umsätze machen. Zum anderen die individuelleren Handelsformate, die sich und ihre Produkte an der Dienstleistung orientieren. Bei diesen naturgemäß emotionaleren und qualitätsgesteuerten Formaten müssen der Kunde, dessen Sichtweise, Wünsche und Befindlichkeiten stärker fokussiert werden.

Peter Botz, Geschäftsführer des Verbands deutscher Garten-Center, der die inhabergeführten Garten-Center vertritt, kann der Koexistenz mit den großen Filialisten durchaus etwas abgewinnen. „Wenn Kunden über den Kauf einer billigen Discounter-Pflanze ihre Leidenschaft fürs Gärtnern entdecken, entwickeln sie fast zwangsläufig ein wachsendes Interesse und einen immer größeren Anspruch an die Wertigkeit ihrer Produkte. Sie suchen dann nach besonderen Züchtungen oder ausgefallene Pflanzen, was sie zu unseren Gärtnereien und Centern führt.“ Gleichwohl sieht auch er Handlungsbedarf und erkennt in der Pluralität der seinem Verband angeschlossenen Gärtnereien und Garten-Center die große Chance: „Ich kann Ihnen kein einziges ‚typisches‘ Mitglied unseres Verbands zeigen. Jeder ist anders. Wir arbeiten daran, diese Individualitäten herauszuarbeiten und zum Konzept auszubauen.“ Der Verband forciert und kommuniziert Lifestyle-Trends wie Bienenpflanzen, Bio-Artikel oder auch das Urban Gardening. Der umtriebige Verbandschef organisiert Wein- oder auch Kräuterseminare, um den Mitgliedern Themenfelder zu eröffnen, die Kunden im Rahmen eines Garten-Centers akzeptieren und mit deren Hilfe „Andersartigkeit“ erlebbar gemacht werden kann.

Fotos: Schwitzke & Partner (1), Veg and the City (1) und Waffenschmidt (1)

Den Luftraum nutzen

Neben Garten-Centern berät und entwickelt Innenarchitekt Matthias Golze, Schneider Golze Ladenbau, auch Floristik-Geschäfte, Gourmet-Konzepte, Bio- und Hofläden. Kalthaus, Warmhaus, Freifläche, Arena- oder Rechtslauf-Prinzip, verderbliche Ware, Funktionalität der Warentische, Saison- Abhängigkeit, jede Menge Rand-, Nischen- und Zusatz-Sortimente – Sachzwänge und Sortimentsoptionen erscheinen im Garten-Center vergleichsweise hoch.

Herr Golze, lassen sich also keine pauschalen Trends für die Gestaltung und Einrichtung von Garten-Centern benennen?

Natürlich ist auch im Garten-Center-Segment ein Trend zu authentisch und natürlich wirkenden Materialoberflächen wie Holz- statt der üblichen Alu-Tische oder bepulvertes Metall für Standregale zu beobachten wie auch eine größere Flexibilität im Mobiliar, um es kurzerhand umzubauen und ihm ein neues Gesicht zu geben. Für jeden einzelnen Standort gibt es eine Best-Lösung. Und die ist stark vom Betreiber abhängig. Dieser muss sich in allererster Linie mit einem Konzept vollständig identifizieren können, dann kann es auch funktionieren – egal, wie die äußeren Parameter sind. Diese eine ideale Positionierung herauszukristallisieren ist unsere wichtigste Aufgabe, wenn es darum geht, ein zeitgemäßes Konzept für ein Garten-Center zu entwickeln. Hier treten wir oft eher als Berater und Mediatoren statt als Architekten an. Aber die zentrale Problematik des Einzelhandels im Grünen Markt ist eine andere.

Nämlich?

Wir treffen hier vielfach auf regelrecht kathedrale Anlagen mit viel Raum und hohen Giebeln, aber dennoch passiert meist oberhalb der Regale nichts mehr. Und unten in Bodennähe wird die Fläche standardmäßig abgezirkelt und nach Schema F eingerichtet. Wir bauen wunderschöne Kathedralen, wissen aber nichts damit anzufangen.

Was schlagen Sie interessierten Garten-Center-Betreibern vor?

Den Luftraum zu nutzen, um dem Sortiment und der Fläche einen Rhythmus zu geben. Um Events und saisonale Themen im Garten-Center zu inszenieren, wie es zum Beispiel die Gärtnerei Waffenschmidt tut. Ich kann Zäsur-Elemente im Luftraum setzen, die die Blickrichtungen und die Laufgeschwindigkeit der Kunden steuern und so gezielt auf Themeninseln, besondere Artikel oder Ähnliches im Verkaufsraum aufmerksam machen.

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