Martín Pérez: Wie Liverpool visuelle Wirkung schafft

Wie hat sich der Einzelhandel in Mexiko in den letzten Jahren entwickelt? War er auch von der weltweiten Wirtschaftskrise betroffen?

Die Konjunkturentwicklung in Mexiko war lange Zeit von der US -amerikanischen Wirtschaft abhängig, doch unsere Wirtschaft steht jetzt seit 12 Jahren auf eigenen Füßen. Mexiko ist ein aufstrebender Wirtschaftsraum, dessen Wachstumspotenzial jetzt von Marken aus aller Welt entdeckt wird, und auch unser Einzelhandel ist in den letzten drei Jahren kontinuierlich gewachsen.

Und wie ist es Liverpool ergangen? Welche Zielgruppen hat Ihr Unternehmen? Konnten Sie von der stetig wachsenden mexikanischen Mittelschicht profitieren?

Liverpool ist gewachsen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in den nächsten zwei Jahren unser Netz auf 100 Filialen auszubauen. Damit hätte Liverpool in weniger als zehn Jahren die Anzahl seiner Filialen verdoppelt. Was unsere Zielgruppen angeht, war und ist unser Angebot immer an Familien und nicht an spezielle Gesellschaftsschichten gerichtet.

Hinsichtlich der aktuellen Herausforderungen für Einzelhandelsunternehmen, vor allem, was den zunehmenden Online-Handel betrifft: Welche Rolle kann das Geschäft mit seiner Gestaltung und Ausstattung dabei spielen, dass Kunden angelockt werden und sich wohlfühlen?

Zweifellos wird der Online-Handel weiter zunehmen. Jedes Einzelhandelsunternehmen sollte sich daher in dieser Richtung weiterentwickeln. Doch das Internet wird nicht der einzige Verkaufskanal sein, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Menschen sind von Natur aus soziale Wesen und streben nach Begegnungen mit anderen Menschen. In Mexiko verbringen die Leute gerne Zeit in Einkaufszentren. Daher betreiben wir nicht nur einzelne Geschäfte, sondern auch mehr als 15 Einkaufszentren in ganz Mexiko. Die Einkaufszentren sind so gestaltet, dass sie Raum für „Retailtainment” bieten.

Nehmen wir Ihre neueste Filiale in Interlomas oder die Filiale, die Sie letzten November in Veracruz eröffnet haben: Sind das typische Liverpool-Kaufhäuser?

Beide sind Flagshipstores. Wir bieten unseren Kunden dort einen Ort, an dem sie einen ganzen Tag verbringen können: ein gut erreichbares und gepflegtes Haus mit den neuesten Produkten in einem Gebäude von Weltklasse-Design. Außerdem kann man dort unsere relativ neue, knapp 1.800 qm große „Experiencia Gourmet”-Abteilung besuchen.

Welche Standards gibt es in Ihrem Unternehmen im Hinblick auf Architektur, Ladenbau oder Warenpräsentation? Gibt es Gestaltungsrichtlinien, oder ist jede Filiale in ihrer Innengestaltung individuell?

Hinsichtlich der Warenpräsentation gibt es Richtlinien, die in jedem Haus umgesetzt werden, sodass die visuelle Präsentation der Waren und die damit verbundene Atmosphäre für unsere Kunden aus ganz Mexiko einheitlich sind. Bei jeder Entwicklung eines neuen Konzepts für eine Abteilung oder ein Warenhaus ist es unser Ziel, den Kunden ein stimmiges Gesamtbild zu bieten, das auf maximale visuelle Wirkung ausgerichtet ist.

Welche Teile der Innengestaltung und der Ausstattung eines Geschäfts tragen Ihrer Meinung nach am meisten zu einer positiven Shopping-Atmosphäre bei?

Wenn ich an all die großartigen Warenhäuser denke, die ich in vielen Teilen der Welt besucht habe, so haben sie in erster Linie eines gemeinsam: Man findet sich leicht in ihnen zurecht. Aus diesem Grund versuchen wir, durch Orientierungspunkte an den Kreuzungen wichtiger Gänge, durch übersichtliche Wegeführung und durch zentrale Treppenhäuser, die erkennen lassen, wie viele Stockwerke das Gebäude hat, unseren Kunden ein angenehmes Shoppingerlebnis zu bieten. Wenn die Kundenführung eindeutig ist, ist es auch möglich, ein gewisses Maß an „kreativer“ Warenpräsentation einzuführen, damit die Ware nicht zu steril angeordnet wirkt, so als würde niemand das Warenhaus betreten. Die Kunden sind eher bereit, sich auf Produkte einzulassen, wenn sie nicht von einer zu perfekten Warenanordnung abgeschreckt werden.

Wie wichtig ist die Beleuchtung für das Shopping-Erlebnis? Verwenden Sie LED?

Manche Kaufentscheidungen stehen und fallen mit der Beleuchtung. Wir nehmen dieses Thema bei Liverpool sehr ernst und investieren viel Zeit und Energie, um hier alles richtig zu machen. Wenn nötig nehmen wir auch in bereits fertiggestellten Objekten noch einmal Korrekturen vor. Mit der LED-Technologie arbeiten wir jetzt seit einigen Jahren, und Ende 2013 werden wir im Stadtteil Juriquilla in Querétaro unser erstes Haus präsentieren, der ausschließlich mit LED ausgestattet wird.

Wie wichtig sind externe Partner, wenn es um neue Ideen und Inspirationen geht?

Externe Partner sind sehr wichtig für uns, nicht nur, weil sie uns inspirieren, sondern auch, weil sie uns mit ihrer Erfahrung helfen, neue Ideen in die Tat umzusetzen. Bei der Realisierung neuer Konzepte arbeitet das interne Liverpool-Team, das aus über 90 Architekten und Designern besteht, eng mit externen Partner zusammen, zum Beispiel ein Team für die Innengestaltung und ein Team für die Außengestaltung. Das Exterieur unserer Geschäfte wurde in letzter Zeit von vielen jungen, talentierten mexikanischen Architekten entworfen. Für das Interieur setzen wir auf renommierte internationale Unternehmen. Einige von ihnen sind nun schon seit Jahrzehnten eng mit Liverpool verbunden, und wir sehen sie nicht als externe Helfer, sondern als Teil unseres erweiterten Teams.

Nutzt Ihr Unternehmen neue digitalen Verkaufstechnologien?

Wir testen digitale Hilfsmittel in Umkleidekabinen oder in der Nähe von Umkleidekabinen aus, genauso wie Touchscreens, aber da diese erst kürzlich bei uns eingeführt wurden, ist es noch zu früh, um sie zu beurteilen. Nach wie vor geht nichts über eine gute und klare visuelle Präsentation in Verbindung mit ausgezeichneter Beleuchtung.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Warenhäuser aus? Auf einigen europäischen Märkten, etwa in Deutschland, sind sie unter Druck geraten.

Es ist schwierig, Aussagen über die Zukunft zu treffen, aber auf der Grundlage meiner Erfahrung sehe ich zwei Tendenzen auf dem internationalen Warenhausmarkt: Auf der einen Seite – tendenziell eher in den stärker entwickelten Ländern – stehen ausgeprägter Wettbewerb und der erbitterte Kampf gegen die sogenannten Category-Killers, also große discountorientierte Märkte, während sich auf der anderen Seite vielfältige Entwicklungs- und Wachstumsmöglichkeiten bieten, wie man sie gerade in den Schwellenländern beobachten kann. Auf beiden Seiten besteht eine klare Herausforderung: Wie ist es möglich, ein stets aktueller Komplettanbieter zu bleiben, der sich dynamisch an die ständigen Veränderungen unserer Zeit anpasst? Für die Kunden weiterhin relevant zu sein, ist der Schlüssel zum Erfolg.

Was sind Ihrer Einschätzung nach die größten Herausforderungen, denen sich Ihr Unternehmen in der nahen Zukunft stellen muss? Und welche Wirkung wird der Online-Handel haben?

Aktuell ist unsere größte Herausforderung, weiter zu wachsen. Manche Kunden sagen: Ein Liverpool in ihrer Stadt bedeutet, dass es dort aufwärts geht. Wir nehmen das nicht als selbstverständlich hin, sondern wir sind stolz, für die mexikanischen Familien ein Symbol für Wohlstand zu sein und die Einzelhandelslandschaft an einem Ort zum Positiven zu verändern. Was den Online-Handel in Mexiko betrifft, so denke ich, dass er in den nächsten Jahren einen Boom erleben wird. Verglichen mit anderen Ländern ist er bei uns langsam, oder besser gesagt, vorsichtig angelaufen. Aber der Boom wird kommen.

Wie sehen also Ihre Expansionspläne für die nahe Zukunft aus?

Wir glauben, dass es mindestens noch einige Dutzend Städte in Mexiko für Liverpool gibt. Außerdem beschäftigen wir uns ständig damit, neue Möglichkeiten auszuloten. So arbeiten wir mit internationalen Marken zusammen, die nach Mexiko expandieren wollen.