Die Lust am Shopping weiterhin lebendig zu gestalten, dürfte in Zukunft eine der wichtigsten Herausforderungen des stationären Handels werden. Für die Händler wird es wichtig, die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu erkennen, das Wechselspiel zwischen Online- und Offline-Käufen zu verstehen, daraus die passenden Schlussfolgerungen zu ziehen und Konzepte zu entwickeln.

Touchscreen im Tisch: Im Showroom von Warema, Anbieter von Sonnenschutzsystemen und Sonnenjalousinen, informiert ein großer Touchscreen über das Sortiment.

Im Showroom von Warema, Anbieter von Sonnenschutzsystemen und Sonnenjalousinen, informiert ein großer Touchscreen über das Sortiment.
Foto: Umdasch

Mit dem Ziel, Trends und wegweisende Veränderungen in Retail und Konsumentenverhalten zu identifizieren, hat das EHI gemeinsam mit Commercetools, Diconium und Visplay ein Projekt „Refraiming Retail“ ins Leben gerufen. Die Erkenntnisse basieren auf Gesprächen mit rund 50 Retail-Experten und -Expertinnen. Claudia Horbert vom EHI und Martin Cserba von Diconium, einem Beratungsunternehmen für Digitalstrategien, skizzierten in ihrer Präsentation schlaglichtartig einige Ergebnisse aus der Projektarbeit. Der stationäre Handel sollte sich in Zukunft verstärkt auf seine Gastgeberrolle besinnen und den Kunden Orientierung und Vertrauen geben. Es sei deutlich geworden, dass es für viele Handelsunternehmen erfolgversprechender ist, Menschen einzustellen, die ein ausgeprägtes „Gastgebertum“ in ihrer DNA haben – und erst dann mit Produkt- und Verkaufswissen zu schulen und nicht umgekehrt.

Wege zu finden, die Kundenbeziehung über den Produktkauf zu verlängern und multifunktionale Mischformen aus Handel und frequenzbringenden Nutzungsformaten zu schaffen, sind weitere Handlungsoptionen, die als Fazit aus den Expertengesprächen abgeleitet wurden. Aus den Ergebnissen leitete das Projektteam 21 Thesen ab: ein Querschnitt aus Themen wie Big Data, Künstliche Intelligenz und Retail Analytics. Beispiel: Data Analytics sollte im Handel so selbstverständlich sein wie die Nutzung von Elektrizität. Das komplette Thesenpapier von „Refraiming Retail“ sollen Ende September auf einer Website gelauncht werden.

Digitale Instore-Erlebnisse

Die Verbindung von digitalen Technologien mit dem klassischen Ladenbau hat Folgen für den Planungsprozess bei Neu- und Umbaumaßnahmen. Umdasch, ein führendes Ladenbauunternehmen aus Amstetten/Österreich, hat 2020 für den deutschsprachigen Raum einen Standort in Duisburg eröffnet, an dem Store-Architekten und Digitalexperten gemeinsam als Team Projekte ausarbeiten. Auf der EHI-Konferenz stellten Maik Drewitz und Stefan Knoke von Umdasch aktuelle Beispiele aus ihren Projektarbeiten vor.

Die Customer Journey in analogen und digitalen Elementen zu denken und auch die Frage, wie digitale Elemente analoge ersetzen können, stehen am Anfang jedes Planungsprozesses. Beispiele: Eine LED-Wall statt hinterleuchtete Spannrahmen oder elektronische Preisetiketten statt der herkömmlichen Preisschilder. Oder der rein auf emotionale Effekte ausgerichtete Einsatz von digitalen Anwendungen wie der Gamification-Ansatz bei S.Oliver in Stuttgart oder die transparenten Screens für die Pokalpräsentation im Shop von Bayern München am Marienplatz.

20 integrierte digitale Touchpoints im Store sind Teil des ganzheitlichen Store-Konzepts und beinhalten zahlreiche Innovationen wie Mirror-Screens in den Umkleiden, mehrere Selfie-Points oder 3-D-Druck-Präsentationen der Bayern-Spieler. Auf der Audi-Fläche im ersten Obergeschoss der FC Bayern World können Besucher und Besucherinnen an einem Touch-Screen und der LED-Wall ein Modell konfigurieren und virtuell um die Allianz-Arena eine Probefahrt unternehmen. Als Souvenier zum Mitnehmen zeichnet ein Roboter anschließend eine Skizze des Autos.

Personalisierte Services

Digitale Spielwiese: Der Cornershop von Capgemini in London ist als „Live-Testumgebung“ für Händler und Marken konzipiert.

Digitale Spielwiese: Der Cornershop von Capgemini in London ist als „Live-Testumgebung“ für Händler und Marken konzipiert.
Foto: Capgemini

Ende 2020 eröffnete das IT-Dienstleistungsunternehmen Capgemini im Londoner Stadtteil einen experimentellen „Cornershop“. In einer Live-Test-Umgebung soll dieser Shop mit digitalen Technologien und Einkaufskonzepten die Zukunft des Handels für Händler und Verbraucher erlebbar machen.

„Wir glauben bei Capgemini, dass sich die Rolle des Shops in Zukunft fundamental verändern wird“, leitete Achim Himmelreich, Global Head of Consumer Engagement, seine Präsentation des Cornershops ein. Ziel des realen Testmarktes sei es herauszufinden, wie Kundinnen und Kunden mit den Instore-Technologien umgehen und welche Anwendungen von ihnen präferiert werden. Das Smartphone ist der Türöffner für alle Anwendungen. Nachdem der Besucher die App heruntergeladen hat, kann er alle Services nutzen und erhält personalisierte Informationen auf Großdisplays oder anderen Ausgabemedien.

Wegen des Lockdowns infolge der Covid-19-Pandemie stand der Cornershop bislang interessierten Einzelhändlern nur für virtuelle Führungen zur Verfügung. In Kürze soll der Shop auch für den stationären Besuch geöffnet werden.

Teil 2 und Teil 3 der EHI Retail Design Konferenz 2021 finden am 15. September und 29. September 2021 statt:

Informationen und Anmeldungen