Es ist eine uraltes Phänomen, dass Produktpreise häufig mit einer 9 enden. Die typische Erklärung hierfür ist der „Left-Digit-Effekt” – das Verhalten, bei dem die Verbraucher bei ihrer Entscheidungsfindung besonders auf die linke Ziffer im Preis achten. Infolgedessen werden 5,00 Euro als deutlich teurer als 4,99 Euro wahrgenommen, während 4,99 Euro als nur ein Cent teurer als 4,98 Euro wahrgenommen wird.

Forscher untersuchen den Left-Digit-Effekt schon lange. Bereits 1936 berichtete Eli Ginzberg über Ergebnisse eines Katalogexperiments im Versandhandel und stellte fest, dass ein Preisunterschied von einem Cent zwischen 1,99 und 2 US-Dollar überproportionale Auswirkungen auf die Nachfrage haben kann.

Diese und andere Studien haben sich jedoch in erster Linie auf das Offline-Einkaufen konzentriert. Das veranlasste die Payment-Plattform Stripe zu einer eigenen Untersuchung. Ziel war es, herauszufinden, ob sich die gleichen Trends in der Online-Welt wiederfinden. Insbesondere neue Geschäftsmodelle wie Abodienste wurden analysiert.

Zur Ermittlung des Left-Digit-Effekts in der Online-Welt untersuchte der Online-Bezahldienst mit Sitz im kalifornischen San Francisco mehr als zwei Millionen anonymisierte Datensätze aus den Jahren 2012 bis 2018 von über 100.000 Händlern, die die Payment-Plattform in dieser Zeit nutzten und mindestens einen Abodienst im Angebot hatten.

Höherer Absatz mit „,99”-Preisen

Das Ergebnis: Mehr als 70 Prozent der Online-Händler verwenden weltweit Preise, die nicht auf 9 enden. In Europa nutzen lediglich 26 Prozent auf 9 endende Preise. Die Studie ergab darüber hinaus, dass Online-Händler, die zu einem Preismodell wechselten, das auf „,99” endet, einen deutlichen Anstieg des Absatzes verzeichnen konnten.

Während Musik- und Videodienste wie Netflix, Hulu und Spotify bereits alle Preise mit einer „,99”-Endung verwenden, haben andere Kategorien hier noch deutliches Optimierungspotenzial. Gute Beispiele der Preisgestaltung in Deutschland sind der Kochboxen-Anbieter HelloFresh oder die E-Learning-Plattform für webbasiertes Lernen Babbel.

Auf den Erkenntnissen der Studie basierend, empfiehlt Stripe:

  • Größere Online-Händler, die von höheren Volumina profitieren, sollten in Betracht ziehen, die auf 9 endende Preisgestaltung mit einem Teil ihres Sortiments zu testen. So können sie mögliche Umsatzsteigerungen besser einschätzen. Die Studie zeigt auch, dass der Left-Digit-Effekt sowohl für preiswerte als auch für hochpreisige Artikel gilt.
  • Kleinere, wachstumsstarke Händler sollten die auf 9 endende Preisgestaltung als anerkannten Branchenstandard betrachten. Bei geringerem Volumen können laufende Preisversuche viel länger dauern und sind zudem anfälliger für Fehler. Der Left-Digit-Effekt ist unabhängig vom angebotenen Produkt.

Für moderne, schlank aufgestellte Online-Unternehmen können auch Umsatzgewinne von einem Prozentpunkt schon entscheidend für den langfristigen Erfolg sein.