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Das Corona-Virus hat auch Auswirkungen auf den logistischen Alltag von Handelsunternehmen.
Foto: zeynurbabayev/stock.adobe.com

Corona und der logistische Alltag des Handels

Im Frühjahr dieses Jahres stand auch die Logistik des Handels durch die unerwartete Ausbreitung des Corona-Virus vor elementaren Herausforderungen. Das EHI befragte mehrere Handelsunternehmen aus verschiedenen Branchen nach den Konsequenzen der Pandemie für die eigene Logistik und den daraus resultierenden Learnings.

Key Facts

  • Ernsting’s Family unterstützte seine Lieferanten durch die Abnahme und Einlagerung verspäteter Ware.
  • Zumindest in Teilbereichen der Handelslogistik bieten Videokonferenzen wertvolle Unterstützung; Homeoffice wird vom Personal zunehmend akzeptiert.
  • Die unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Bundesländer zur Pandemie-Abwehr sorgten in der Handelslogistik für Unsicherheit und komplexere Entscheidungsprozesse.
  • Der Einsatz eines KI-unterstützten Dispo-Systems hat sich in der Pandemie als hilfreich erwiesen, gegebenenfalls müssen Prognoseparameter aktualisiert werden.

In einigen Sortimenten kam es zu den bekannten Hamsterkäufen mit leeren Regalen – auf der Beschaffungsseite zu teils erheblichen Lieferverzögerungen in den internationalen Lieferketten. In anderen Sortimenten hingegen gab es Warenstaus infolge der Ladenschließungen. Was hat Corona mit der Handelslogistik gemacht? Gab es auch Learnings?

Lieferverzögerungen aus Fernost

Besonders heikel entwickelte sich die Situation im Textilhandel, wie Stephan Harms, Head of Strategic Procurement bei Ernsting’s Family exemplarisch für seine Branche berichtet. Das Unternehmen bezieht seine Ware hauptsächlich aus Fernost und aus der Türkei. Groß war die Unsicherheit, wie sich die Beschaffungsmärkte entwickeln würden.

Anfang Februar konnten in China zahlreiche Arbeitskräfte nach dem chinesischen Neujahrsfest aufgrund von Quarantänevorschriften nicht in die Firmen zurückkehren. Daraus resultierend ergaben sich auch für andere Märkte Probleme, weil Zusatzausstattungen wie Knöpfe und Reißverschlüsse aus China ausblieben.

Danach kam es auch zum Shutdown in Indien und Bangladesch. Der tägliche Austausch mit den Lieferanten war laut Harmsin dieser Phase unerlässlich, um für die Zeit nach der Schließungsphase Kapazitäten und Verkehrsträgerwechsel zu planen – wobei immer hohe Hygienestandards berücksichtig werden mussten. Ernsting’s Family unterstützte seine Lieferanten durch die Abnahme und Einlagerung verspäteter Ware. Die Vor-Order für die nächste Saison konnte auch über digitale Konferenzen erfolgreich bewältigt werden, „wobei ein gemeinsames Verständnis von Haptik und generell der persönliche Kontakt in Verhandlungen fehlen“, sagt Stephan Harms.

Die vertriebsseitigen Herausforderungen bestanden darin, dass die Ladenschließungen einen unmittelbaren Wertverlust der saisonalen Ware zur Folge hatten (z.B. Osterdekoration). Nach der Wiedereröffnung galt es, Bestände zu korrigieren und „die Kundenfrequenz behutsam zu stimulieren“ – unter Wahrung der Abstandsregelungen.

Um in Zukunft auf vergleichbare Situationen noch besser vorbereitet zu sein, wird aus Sicht von Ernsting’s Family ein verstärkter Einsatz von Technologien (Traceability, Blockchain etc.) erforderlich sein, um die Transparenz der Lieferkette weiter zu verbessern.

Anpassung der Prognosesysteme

Im Lebensmittelhandel, der bekanntermaßen geöffnet bleiben durfte, lagen für Helge-Christian Eilers, Geschäftsführer der Firma Bünting, die Herausforderungen im Einsatz der IT zur Warensteuerung sowie im Umgang mit dem eigenen Personal. In erster Linie mussten die Warenmengen schnellstmöglich an die unerwarteten Absatzsprünge in bestimmten Sortimentsbereichen angepasst und dabei in ständiger Kommunikation mit der Industrie die Warenverfügbarkeit gesichert werden. Dies erforderte eine Anpassung der vom Auto-Disposystem verwendeten Prognoseparameter. Ziel war die möglichst gleichmäßige Verteilung der Wochenliefermengen auf die einzelnen Liefertage.

Die Fuhrpark-Kapazitäten mussten dafür erhöht werden durch vermehrten Einsatz von Dienstleistern. Für die Erarbeitung von internen und externen Sicherheitskonzepten im Umgang mit Corona stand nur wenig Zeit zur Verfügung. Die Erhöhung der Anzahl des Personals durch externe Kräfte sorgte anfangs für Besorgnis in der Belegschaft, sodass diese zunächst beruhigt werden musste. Dies gelang durch offene Kommunikation, zudem wurden für Überstunden Bonuszahlungen gewährt.

Grundsätzlich zieht Bünting aus den bisherigen Maßnahmen ein positives Fazit. Die erfolgte Vereinheitlichung der Organisationsstruktur innerhalb der Unternehmensgruppe habe sich bewährt, und die Mitarbeiter hätten sich erneut als zuverlässig und belastbar erwiesen. Der Einsatz des KI-unterstützten Auto-Disposystems für die bedarfsgerechte Marktbelieferung hat sich während der Pandemie bewährt und soll in Zukunft weiter optimiert werden.

Die Mitarbeiter motivieren

Praktisch alle befragten Unternehmen gaben an, wie wichtig die Kommunikation mit den Mitarbeitern war, die alle so oder so von den Maßnahmen betroffen waren.

Praktisch alle befragten Unternehmen gaben an, wie wichtig die Kommunikation mit den Mitarbeitern war, die alle so oder so von den Maßnahmen betroffen waren.
Foto: Kawee/stock.adobe.com

Für ein befragtes großes deutsches Gartenfachmarkt-Unternehmen resultierten die größten Herausforderungen aus den für die einzelnen Bundesländer unterschiedlichen Ladenschließungsregelungen. Herausforderung waren u.a. die Motivation der Mitarbeiter und insbesondere die Regelung der Maskenpflicht besonders bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten.

Als zu Beginn der Pandemie die Produktion in China eingestellt wurde, wurden bei diesem Unternehmen zunächst die Filialbestände erhöht, um Ausfälle in der Logistikkette abzupuffern und möglichst verkaufsfähig zu bleiben – was nicht nur von den Verkaufsstellen, sondern auch von den Lieferanten logistisch bewältigt werden musste. Anschließend wurde ein Teil der Filialen geschlossen, während der Rest weiterhin geöffnet blieb; als Konsequenz wurde in der Logistik Kurzarbeit eingeführt. Nach Ostern konnte die Logistik dann wieder in vollem Umfang betrieben werden.

Die wichtigste Erkenntnis für die Betreiber bestand darin, wie wichtig interne Abstimmungen auf strategischer und operativer Ebene sind. Dabei solle man nicht zu viele Projekte gleichzeitig angehen, sondern sich konzentrieren. Videokonferenzen lieferten hier wertvolle Unterstützung, und auch Homeoffice funktioniert in Teilbereichen der Logistik und wird inzwischen von der Belegschaft zunehmend akzeptiert.

Taskforce für Hygieneauflagen

Bei Möbel Martin bestand, so Martin Reddel, Logistikleiter des Unternehmens, eine besondere Herausforderung darin, dass ein großer Teil der Kunden aus Frankreich und Luxemburg kommt, was zunächst zu etlichen Stornierungen mit Umsatzverlust führte. Zudem meldeten sich viele Mitarbeiter aus Unsicherheit ohne tatsächliche Ansteckung krank. Es wurden frühzeitig Homeoffice-Angebote gemacht, Besprechungen fanden ausschließlich über Videokonferenzen statt. Beides hat sich aus Unternehmenssicht als nutzbringend erwiesen und „wird aus dem Alltag auch nicht mehr verschwinden“. Eine Abgeltung von Überstunden wurde angeordnet, Urlaube mussten vorzeitig genommen werden.

Erst zum Shutdown wurde auch Kurzarbeit eingerichtet. Aus Mitarbeitern verschiedener Unternehmensbereiche wurde eine Taskforce gebildet, die eine Auditierung zwecks Umsetzung der Hygieneauflagen vornahm – eine optimale Einhaltung von Abstandsregeln wird im Unternehmen zur Bewältigung der Pandemie für elementar gehalten. Auch bei Möbel Martin erschwerten die uneinheitlichen Maßnahmen in den verschiedenen Bundesländern die Entscheidung über die Wiedereröffnung einzelner Filialen.

Möbel Martin hält vor allem eine direkte und transparente Kommunikation zu den Lieferanten für wichtig, um bestehende Liefertermine einhalten zu können. Die Vorratslogistik sollte möglichst zentral gesteuert werden, um flexibel und schnell reagieren zu können. Gleiches gilt für die Kommunikation, um einen gleichen Informationsstand für Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner sicherzustellen. Wichtige Instrumente, um auch in Zukunft vergleichbaren Ereignissen wirkungsvoll begegnen zu können, werden in Tools zur Reduzierung des manuellen Aufwands und der Automatisierung von zentraler Disposition und Warenflusssteuerung gesehen.

Weitere Informationen: Thomas Kempcke/kempcke@ehi.org

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