Store-Design: Händler als Dramaturgen und Regisseure | stores+shops

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Engelbert Strauss in Biebergemünd: beeindruckendes „Retail-Theater"
Foto: Engelbert Strauss

Store-Design: Händler als Dramaturgen und Regisseure

Händler müssen bei ihren Stationärkonzepten deutlicher auf starke und bleibende Erinnerungen setzen. Dafür kann es nützlich sein, Läden als Theaterinszenierungen aufzufassen.

Die Digitalisierung sortiert die Kanäle des Handels neu. Der Onlineshop ist in vielen Bereichen dominante Realität. Mehr und mehr wächst der stationäre Point-of- Purchase in eine neue Rolle als Inspirationsgeber, Entertainment-Faktor und Instrument der Schaffung von Erlebnis. In vielen Segmenten ist genau das zur primären Aufgabe des stationären Kanals geworden. Bleibende Erlebnisse für den Kunden sind das neue „Produkt“ des stationären Handels. Damit findet er seine gleichberechtigte Position neben dem Online-Kanal.

Das Markthallen-Konzept von Real schafft hochwertiges Einkaufserlebnis im LEH

Das Markthallen-Konzept von Real schafft hochwertiges Einkaufserlebnis im LEH
Foto: Calumet

​Händler müssen heute selbst zu starken Marken in der Handelslandschaft werden. Die Händler können hier von Theaterfachleuten lernen. Sie sollten sich zu guten Dramaturgen und Regisseuren entwickeln – damit individualistische, hedonistische, visuell geprägte Kunden mit hoher Reizschwelle einzigartige Inszenierungen erleben.

Nimmt man Aspekte des Theaters, wie sie der große Dramatiker Dürrenmatt herausstellt als Basis, lässt sich eine Übertragung vornehmen. Dabei entspricht die Bühne der Verkaufsfläche. Das Bühnenbild findet sein Äquivalent in der visuellen Gestaltung des Ladens, und die Handlung drückt sich in den inhaltlichen, dramaturgisch angelegten Einkaufsabläufen aus, die eine bestimmte Wirkung erreichen. Insgesamt entspricht der gespielten Wirklich keit des Theaters mit stilisierten Figuren die Inszenierung von Waren, Raum und Personal am POP. Beim Theater entscheidet das Publikum über Erfolg oder Misserfolg, im Laden ist dies der Besucher und Kunde, bei dem das Erlebnis auf der Verkaufsfläche das weitere Kaufverhalten beeinflusst.

Unterhaltsames Theaterstück

Ein gutes Beispiel ist der Anbieter von Workwear Engelbert Strauss. Kunden behalten den Store in Biebergemünd in Erinnerungen ähnlich wie den Besuch eines unterhaltsamen Theaterstücks. Beeindruckend ist die Gestaltung der „Verkaufsbühne“ und das Storytelling, in das der Besucher hineingezogen wird. Solche Eindrücke prägen, wie Menschen sich mit der Marke fühlen.

So wie das Theater mit dem Publikum arbeitet, so sollte der Händler am POP mit den Kunden „arbeiten“. Den Kunden können dabei wie den Theaterbesuchern unterschiedliche „Rollen” zugedacht werden. So können Kunden als distanzierte, abgetrennte Beobachter aufgefasst werden. Oder die Kunden können als multisensual involvierte Quasi-Protagonisten einbezogen werden. Je nach Rolle ergeben sich dann andere Implikationen für mögliche Positionierungen der Händlermarke und die folgerichtige POP-Gestaltung.

Auch mit einem Wechsel dieser „Publikumsrollen“ kann in der Ladeninszenierung gearbeitet werden. Beispielsweise könnte ein Shop-Besucher durch eine entsprechende Erlebnispräsentation von seiner Haltung als „Voyeur“ in die eines „Senseceptors“ kommen, weil sein Involvement sich situativ verändert – so wie beim Beispiel Engelbert Strauss.

Die Verkaufsumgebung kann theaterbühnengleich und mit großen Gesten eindrucksstark gestaltet werden. Anregung und Erlebnis werden Kernbestandteile des POP. Die Interaktion mit dem Kunden wird intensiviert, wenn der Händler versteht, dass es darauf ankommt, im Kopf des Kunden etwas auszulösen. So wie im Markthallen- Konzept von Real, wo den Kunden vielfältige Sinneseindrücke und Anregungen geboten werden. Sie kaufen dort nicht nur Gemüse, sie erleben eine Inszenierung. Das bedeutet: Stärkung der Store-Brand.

Bleibende Erlebnisse für den Kunden sind das neue ,Produkt‘ des stationären Handels.

Prof. Dr. Jörn Redler

Professor für Allg. Betriebswirtschaftslehre und Marketing, Hochschule Mainz

Geplante Wirklichkeit

Viel Atmosphäre im Calumet Foto Store

Viel Atmosphäre im Calumet Foto Store
Foto: Calumet

Nicht alle Aspekte des Theaters müssen im Handel eine Eins-zu-Eins-Entsprechung finden. Natürlich erfüllen Theater und Handel einen unterschiedlichen Zweck. Aber die Theater-Metapher kann durchaus ein Mittel sein, um über durchschnittliche Store- Konzepte hinauszugehen und erlebnisorientierte, hedonistische Kundeninteressen anzusprechen, letztlich eine „geplante Wirklichkeit“ perfekt zu „performen“, um die eigene Store-Brand von anderen abzugrenzen. Dafür muss ein Laden wie ein Theater aufregende Umgebungen schaffen.

Der nächste Schritt ist die Involvierung des Kunden: Der Laden ermöglicht es den Besuchern, Teil einer Umgebung, eines Ereignisses zu werden und vielfältig zu interagieren. Im Dyson Demo-Store in Köln beispielsweise können Kunden Haartrockner- Produkte mit Experten testen, eigene Stylings produzieren und die technologischen Besonderheiten „hautnah“ erfahren. Da alles in einem extravaganten „Bühnenbild“.

Im Unterschied zum eigentlichen Theater, das auf eine bestimmte Publikumsreaktion abzielt, muss das „Retail Theater“ mit einer Bandbreite von Kundenreaktionen umgehen. Dabei ist zu beachten, dass Theater transitorisch ist: Die Darbietungen können zwar wiederholt werden, sind jedoch immer individuell einzigartig und nie identisch. Effekte der theatralischen POP-Inszenierung sind also nicht nur von Kunde zu Kunde unterschiedlich, sondern auch bei jedem neuen Kontakt anders. So ist beispielsweise jeder Kundenkontakt im Calumet Foto Store Braunschweig letztlich ein individueller. Der Store als Theaterbühne lässt dies zu.

Theater gestaltet Beziehungen. Die Aufführung bildet eine Realität nach und erweckt Phantasien zum Leben. Dazu werden verbale wie nonverbale Elemente in einem komplexen Zusammenspiel eingesetzt. Wichtig ist der Beziehungsaufbau und die Beziehungsgestaltung. Händler sollten das ebenfalls forcieren, und ihre Stationärkonzepte sollten dazu Beiträge leisten.

Klare Positionierungsidee

Die Concept-Shopping-Mall Bikini Berlin mit ihrem

Die Concept-Shopping-Mall Bikini Berlin mit ihrem "Boulevard" von Pop-up-Stores
Foto: Bayrische Hausbau/Bikini Berlin

Ebenso wie im Theater gibt es auch im stationären Handels-Theater eine konzeptionelle und eine umsetzende Komponente. Das bedeutet, zunächst eine klare, erlebnisbezogene Positionierungsidee herauszuschälen, um diese über die POP-Gestaltung umzusetzen. Welches Stück gegeben wird, die Inszenierung, die Bühnenausstattung, die Besetzung, das muss von der Markenidee des Stores ausgehen.

Die Theater-Denke lässt sich ebenso auf Shopping-Center anwenden. Beispiel Bikini Berlin: Die erlebnisbezogene Architektur als „Bühnenbild“ ist auf das Storytelling der Einkaufsstätte abgestellt – Concept Shopping. Im Rahmen einer „urbanen Oase“ werden Storys der einzelnen Läden zu einer Gesamtdramaturgie verwoben. Zahlreiche Aktionen, viel Gastronomie und hohe Aufenthaltsqualität ermöglichen dem Publikum ein Durchleben dieser Inszenierung. Konsequentes Regiemittel sind die fest integrierten und unterschiedlich bespielbaren Pop-up-Flächen. Wiederholte „Theaterbesuche“ bekommen damit stets neue Erlebnisse.

Die Theater-Analogie lässt sich auch für den weiter gefassten Kontext der Stadtentwicklung verwenden. Warum also nicht Einzelhandelszentren in Städten durch die „Theater-Brille“ analysieren? Diese Analyse wird auch zeigen, dass nicht in jeder einzelnen Stadt einer Region ein solches Theater tragfähig sein wird.

Der stationäre Händler kann sich als Intendant und Regisseur verstehen. Mit seinen Händlermarken kann er den Spielplan aufstellen. Als Regisseur sollte er Inszenierungen gestalten, die für das Publikum ein nachhallendes Erlebnis sind. Damit findet der stationäre Laden zu seiner Rolle in der veränderten Einzelhandelsrealität.

joern.redler@hs-mainz.de

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