IT: Kostensenker oder Geschäftstreiber? | stores+shops

Anzeige
{{{name}}}

Vorgeschlagene Beiträge

Anzeige

Diskutierten auf den EHI Technologietagen 2011 über aktuelle Themen und Trends der Handels-IT (v. l. n. r.): Achim Fahrenkamp (Porta), Wolfgang Müller (Tegut), Olaf Schrage (Douglas), Oliver Tackmann (Obi), Dr. Michael Wulst (Edeka)

IT: Kostensenker oder Geschäftstreiber?

Die IT soll dem Handel helfen, Kosten zu sparen – aber klappt das auch? Große ERP-Projekte verschlingen Ressourcen, und beim kapitalschonenden Cloud Computing schrecken Sicherheitsbedenken. Außerdem verlangen die Fachbereiche innovative IT-Lösungen, um im Verdrängungswettbewerb zu bestehen.

Auf den EHI Technologietagen in Köln diskutierten CIOs, wie beim Thema IT der Spagat zwischen Sparzwang und Fortschritt zu schaffen ist. IT-Kosten und IT-Budgets sind ein Thema, dem sich CIOs im kostenbewussten Handel auch in guten Zeiten stellen müssen. Das zeigt ein Vergleich der Publikumsumfragen bei den EHI Technologietagen 2010 und 2011: In diesem Jahr rechnet fast jeder zweite IT-Profi für das kommende Jahr mit sinkenden IT-Budgets. Im Vorjahr war die Stimmung unter den Konferenzteilnehmern in Köln noch wesentlich optimistischer. 96 Prozent gingen Ende 2010 von steigenden oder gleichbleibenden Geldmitteln aus. Trotz guter Konjunktur fallen 2012 also vielerorts wohl die Planungen wieder knapper aus. Aus gegebenem Anlass wollte Moderator Olaf Schrage, Geschäftsführer der Douglas Informatik, von der CIO-Diskussionsrunde wissen, ob Cloud Computing im Handel heute schon eine gangbare Sparstrategie darstellt.

Cloud Computing: Mehrwerte durch Outsourcing?

Ergebnis: Dem Auslagern von sensiblen Daten und geschäftskritischen Applikationen in die Wolke stehen Handelsunternehmen nach wie vor zurückhaltend gegenüber. Zwar stehen auf der Plusseite die bessere Skalierbarkeit, geringere Kapitalbindung und nicht zuletzt die Chance, Innovationen aus der Wolke heraus schneller umzusetzen. Insbesondere die „gefühlte Unsicherheit“ und die Abhängigkeit von externem Know-how sprechen aber dagegen, lebenswichtige Bereiche in fremde Hände zu geben. „Als Mittelständler differenzieren wir sehr bewusst zwischen Kerngeschäft und nicht Kerngeschäft“, so Wolfgang Müller, Leiter IT-Strategie und -Planung beim Lebensmittelhändler Tegut zur aktuellen Cloud-Strategie des Unternehmens. In den letzten 15 Monaten hat Tegut den Servicedesk, das Bewerbermanagement und aktuell die Telefonie in die Cloud ausgelagert – durchaus wichtige, aber eben nicht elementare Unternehmensbereiche.  

Ähnlich läuft es bei Obi. Fachanwendungen werden an externe IT-Dienstleister abgegeben, wenn der Betrieb in Eigenregie keinen erkennbaren Mehrwert bringt. Dazu zählt die Baumarkt-Kette zum Beispiel die Lohnbuchhaltung, wo permanent gesetzliche Änderungen umgesetzt werden müssen. Im Bereich Infrastruktur sieht das Unternehmen aufgrund seiner schieren Größe allerdings keinen Kostenvorteil. Und auch im Bereich Collaboration – also Anwendungen für die virtuelle Zusammenarbeit wie Telefonie, Kalender oder E-Mail – setzt Obi gezwungenermaßen auf Eigenbetrieb: „Wir sind sehr stark in Osteuropa vertreten, dort ist es teilweise noch schwer, zuverlässige Miet-Lösungen zu finden“, erklärte Obi-IT-Chef Oliver Tackmann in Köln.

ERP: Effizienzsteigerer oder Ressourcenfresser?

Unternehmensressourcen möglichst effizient zu planen und einzusetzen, ist das Ziel von ERP-Technologie. Allerdings stehen ERP-Projekte im Ruf, niemals fertig zu werden und permanent Ressourcen zu verschlingen. Hört das eigentlich nie auf, und was bringt es überhaupt, lautete deshalb die nächste Frage von Olaf Schrage an die CIOs auf dem Podium. Als erster antwortete Dr. Michael Wulst, Geschäftsführer der Lunar GmbH. Bezeichnenderweise ist die IT-Tochtergesellschaft der Hamburger Edeka-Gruppe, zu der auch Netto Marken-Discount gehört, nach dem 2007 gestarteten SAP-Projekt des Handelskonzerns benannt. Im Rahmen der ERP-Strategie hat Edeka in den letzten Jahren unter anderem die Warenwirtschaft erneuert, die Stammdaten vereinheitlicht und ein Business Warehouse eingeführt. „Wir erhoffen uns davon riesig große Nutzenpotenziale“, so das Fazit des Lunar-Chefs. Unternehmen könnten ihre Wettbewerbsfähigkeit am Markt nur dann auf Dauer sichern, wenn sie ihre ERP-Prozesse auf einem modernen Stand hielten, denn: Innovationen zu integrieren, müsse man sich auch leisten können, so Wulst.  

Auch bei Porta und Tegut gilt das Motto „Handel ist Wandel“. Die ERP als Rückgrat aller Business-Prozesse sei vergleichbar mit einer Autobahn, so Tegut-IT-Chef Wolfgang Müller: „Da wird ja auch permanent gebaut.“ Oliver Tackmann von Obi gab allerdings zu bedenken, dass man die Organisation nicht durch endlose ERP-Projekte überfordern dürfe, denn dann bleibt keine Kraft für Innovationen. „Die innovativen Projekte, die direkt auf den Kunden wirken, sind schließlich die, womit wir uns differenzieren und neue Marktchancen erschließen können“, so Tackmann. Das Effizienzthema ERP versucht man deshalb bei Obi durch ein möglichst agiles, schrittweises Vorgehen und kurze Entwicklungszyklen zu bewältigen.  

Business-Innovationen: Zukunftsthema Multi-Channel

Alle auf dem Podium vertretenen Unternehmen inklusive der Douglas-Gruppe haben ihre Wurzeln im stationären Handel, stellte Moderator Olaf Schrage dann fest. Gleichwohl betonten alle unisono die Bedeutung von E- und M-Commerce für den zukünftigen Geschäftserfolg. Mit der Frage nach der optimalen Internet-Strategie leitete Schrage zum nächsten Themenblock über: Zählt der Betrieb und die Weiterentwicklung digitaler Vertriebskanäle zu den Kernkompetenzen der IT in ihrer Rolle als „Business Enabler“? Und haben die Unternehmen auch das erforderliche Know-how dafür?

Fazit: Hosting und Housing überlassen die Unternehmen lieber externen Dienstleistern, die 24/7-Support gewährleisten, strenge Sicherheitsvorkehrungen treffen und flexibel auf schwankende Auslastungen reagieren können. Bei Inhalten und Anwendungen zeigt sich dagegen ein differenziertes Bild. So sieht Wolfgang Müller von Tegut die Online-Aktivitäten vorrangig in der Verantwortung der Fachbereiche und die IT als wichtigen Architektur-Berater und Realisierungspartner. Zusammen mit externen Profis arbeiten bei Tegut interdisziplinäre Teams aus verschiedenen Abteilungen an der Weiterentwicklung der E-Commerce-Strategie.  

Die IT-Chefs von Obi und Edeka dagegen legen Wert darauf, auch im Bereich E-Commerce Prozesseigner zu bleiben. Die Unternehmen wollen intern das erforderliche Know-how weiter ausbauen, um externe Dienstleister souverän steuern und kontrollieren zu können. Mit einem Eigenentwicklungsanteil zwischen 20 und 50 Prozent sieht Oliver Tackmann bereits eine gute Wissensbasis bei Obi vorhanden, um Prozesse intern gestalten und die Ideen dann sowohl intern als auch mit externen Partnern umzusetzen.  

„Wir sehen bisher das stationäre Geschäft im Vordergrund, aber wir wollen für die Zukunft gewappnet sein“, sagt Achim Fahrenkamp von Porta. Der Möbelhändler betrachtet seinen Online-Shop als „zusätzliche Filiale“, die vor allem optimal an die Warenwirtschaft angebunden sein muss. Die Kunden bewegten sich aber zunehmend zwischen den Welten, informieren sich beispielsweise online und kaufen offline oder umgekehrt, so Fahrenkamp. Auch Smartphones würden zunehmend genutzt. Zusätzlich zum Internet sammelt Porta deshalb aktuell mit mobilen Services wie Preisvergleichen oder SMS-Marketing erste Erfahrungen.

Mobile Endgeräte: Bring your own device

Dass der mobile Datenzugriff nicht nur von den Kunden, sondern auch von den eigenen Mitarbeitern zunehmend eingefordert wird, stand für das CIO-Quartett auf dem Podium außer Frage. Offen ist dagegen noch, mit welchen Geräten die mobile Strategie künftig umgesetzt werden soll. So hat Edeka im Rahmen des Lunar-Projektes eine Warenwirtschaftslösung entwickelt, die durchgängig und ohne Medienbrüche sämtliche Prozesse vom Großhandel bis hin zum MDE-Gerät und zur Kasse in der Filiale abbildet. „Wir wollen Filialprozesse auf die Fläche bringen, das heißt, fast alle Prozesse müssen über mobile Geräte laufen“, so Michael Wulst. Über ein Portal können Marktleiter und Markt-Mitarbeiter mobil auf alle filialrelevanten Prozesse und Auswertungen zugreifen – bis hin zur jederzeitigen Analyse von Kassendaten.

Den Kunden sollen künftig im Store ebenfalls innovative Services über verschiedene Endgeräte zur Verfügung stehen, beispielsweise intelligente Waagen und Regale, aber auch Anwendungen fürs Smartphone. Aktuell arbeitet Edeka an einer nationalen Edeka-App, die unter anderem Couponing und Bezahlfunktion bieten soll.  

Mit Instore-Technologien könne man im ungünstigen Fall unglaublich viel Geld versenken, wenn man nämlich hundert- oder tausendfach in das falsche Gerät investiert, wendete Oliver Tackmann ein. Anstelle von komplizierten Technik-Spielereien wolle Obi seinen Kunden möglichst unkomplizierten Einkaufsservice bieten – am besten über deren vertraute eigene Smartphones. Wenn schon die Kunden ihre eigenen Geräte im Laden nutzen, erscheint es auf Dauer konsequent, dies möglichst auch den Mitarbeitern zu gestatten. Obi habe mittlerweile eine „sehr progressive Smartphone-Politik“ eingeführt, so Tackmann. Jeder Mitarbeiter mit Anspruch auf ein Firmenhandy bekommt heute von Obi ein iPhone. Die Geräte dürfen ausdrücklich auch privat genutzt und mit den persönlichen Lieblings-Apps, privaten Fotos oder Songs bestückt werden.  

Die Idee dahinter: Auch ein Einkaufs- oder der Vertriebsleiter sollen private Erfahrungen mit dem Smartphone als Alltags- und Einkaufsbegleiter sammeln und so ein besseres Verständnis für die Wünsche und Gewohnheiten der Kunden entwickeln. Als Sicherheitsschleuse beim Zugriff auf Unternehmensanwendungen fungieren spezielle Apps, die beispielsweise den gesicherten Zugriff auf Mails oder BI-Auswertungen erlauben.

Das klappt so gut, dass mittlerweile auch Mitarbeiter ohne Firmenhandy mit ihren privaten Smartphones und der entsprechenden Obi-App mobil auf das Firmen-Mailsystem zugreifen dürfen. Die veränderte Firmenkultur mit immer weicheren Übergängen zwischen beruflich und privat sieht der IT-Leiter als großen Mehrwert: „Dann sind bald auch alle vorbereitet, um erfolgreiche Multichannel-Diskussionen zu führen“, so Tackmann.

Ausblick 2012: Wo sind eigentlich die Frauen?

Bei den Herausforderungen, die 2012 zu bewältigen sind, wurde auf dem Podium nicht zuletzt die immer schwierigere Suche nach Fachkräften angesprochen – insbesondere auch nach weiblichen. Der Frauenanteil läge „hier schon immer bei null Prozent“ stellte Olaf Schrage mit Blick auf die Podiumsrunde fest und fragte nach den Ursachen. Die Antwort aus der Runde: IT-Führungspositionen extern mit Frauen zu besetzen, scheitere heute noch schlichtweg am Mangel an Bewerberinnen.

Zwar bildeten die Unternehmen durchaus selbst IT-Fachfrauen aus. Obi beziffert beispielsweise den Anteil der IT-Expertinnen aktuell bereits auf 30 Prozent. Doch schaffen es immer noch die wenigsten Damen weiter in eine Führungsposition. Offenbar sei es gerade im schnelllebigen IT-Umfeld immer noch besonders schwierig, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen und nach einer Familienpause technisch wieder den Anschluss zu finden, begründete Oliver Tackmann den Schwund. „Wenn ich dann von Frauenquoten in der Presse lese, frage ich mich schon, wie man das umsetzen will“, so der Obi-IT-Chef. Da hilft es vermutlich auch wenig, dass Olaf Schrage beim Stichwort Cloud Computing immer an Engel denken muss. Und die sind für ihn weiblich: „Engel mit Dreitage-Bart kann ich mir einfach nicht vorstellen.“  

Foto: EHI/Rosendahl

Cloud Computing – Eher wolkig als heiter

Auch wenn die Zeiten gut sind, werden wir das IT-Kosten-Thema nur kurz los, und dann geht es wieder richtig rund – hilft Cloud Computing aus der Kostenfalle?

Olaf Schrage

Geschäftsführer, Douglas Informatik & Services GmbH

Cloud Computing ist für uns kein Thema. Wir nutzen ja auch lieber eigene Immobilien, um unser Geschäft zu betreiben, statt zu mieten. Genauso sehen wir das bei der Software.

Achim Fahrenkamp

Geschäftsführender Gesellschafter, Porta/Porta-IT Services GmbH & Co KG

Außerhalb unseres Kerngeschäftes gehen wir gerade bewusst die ersten Schritte. Die Professionalität extern angebotener Lösungen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.

Wolfgang Müller

Leiter IT-Strategie und -Planung, Tegut Gutberlet Stiftung & Co

Wir nutzen Cloud Computing im Bereich der Fachanwendungen, zum Beispiel haben wir den Payroll-Service komplett ausgelagert. Insgesamt ist das ist aber kein großes, expansives Thema.

Oliver Tackmann

Geschäftsführer, OBI Smart Technologies

Cloud Computing ist derzeit nicht Thema Nummer eins. Auf mittlere und langfristige Sicht muss die Cloud inhaltliche und kostenmäßige Vorteile bieten, sonst würden wir das nicht machen.

Dr. Michael Wulst

Geschäftsführer, Lunar GmbH (Edeka)

Produkt-News