Sicherheitskonzepte: Verunsicherung in der Branche | stores+shops

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Das Personal ist nur ein Baustein eines jeden Sicherheitskonzepts. Zudem braucht es moderne Technik und funktionierende Strukturen für die Zusammenarbeit mit Städten und Behörden
Foto: pixabay/RyanMcGuire

Sicherheitskonzepte: Verunsicherung in der Branche

Amokläufe, Gewalt, Terrorgefahr in deutschen Innenstädten – Betreiber von Handelsimmobilien stehen vor großen Herausforderungen. Zugleich haben sie nicht immer passende Sicherheitskonzepte in der Schublade.

Um 17:52 Uhr gingen bei der Münchener Polizei die ersten Notrufe ein. Die Anrufer meldeten einen Schusswaffenangriff bei McDonald‘s am Olympia-Einkaufszentrum. Die Lage war unübersichtlich, ein Großaufgebot der Polizei rückte an. Zweieinhalb Stunden später fiel der letzte Schuss: Der 18-jährige Täter richtete sich selbst.

Der Anschlag in München am Abend des 22. Juli 2016 war zugleich ein Weckruf für die Handelsimmobilien-Branche. Plötzlich war alles anders: Eltern fragten sich, ob sie ihren Kindern noch ruhigen Gewissens einen Shopping-Center-Besuch erlauben konnten. Obwohl der Täter sich nur vergleichsweise kurz im Olympia-Einkaufszentrum aufhielt, wurde der medial omnipräsente Name des Centers landauf, landab mit dem Anschlag in Verbindung gebracht. Die Betreiber von Handelsimmobilien reagierten, Sicherheitskonzepte wurden erarbeitet oder auf den Prüfstand gestellt. Teils war zwar blinder Aktionismus zu beobachten, aber – das darf unterstellt werden – er geschah aus einer guten Absicht heraus.

Fehlende Sicherheitskonzepte

„Damals war die Branche sehr alarmiert“, blickt André Manecke zurück. „Inzwischen ist die gebotene Awareness bei vielen nicht mehr gegeben. Selten gibt es tragfähige, belastbare Sicherheits-, Notfall- und Krisenmanagementkonzepte, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Ein Großteil der Branche beschäftigt sich schlichtweg zu wenig mit dem Thema Sicherheit und ist deshalb schlecht vorbereitet. Deswegen ist es wichtig, ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Auf den Handelsflächen sind schließlich jeden Tag viele Tausend Menschen unterwegs – Mieter, Mitarbeiter, Kunden,Passanten – und die Betreiber von Handelsimmobilien haben eine Verantwortung für sie. Dieser Verantwortung müssen sie sich stellen.“

André Manecke ist Senior Consultant bei der Wisag Security & Safety Consulting GmbH & Co. KG. Sein Team betreut unter anderem Shopping-Center, Logistikimmobilien, kritische Infrastrukturen, städtische Einrichtungen und Bürogebäude. Zu Beginn seiner Laufbahn war Manecke beim Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei) tätig, unter anderem hatte er als Sky Marshall für Sicherheit in Flugzeugen gesorgt und war zwei Jahre lang als Sicherheitsberater in Südamerika und Afrika unterwegs. Später wechselte er in die freie Wirtschaft und übernahm dort über 20 Jahre hinweg die Verantwortung in leitenden Funktionen.

Aufgrund der stark veränderten Lage „Sicherheit“ und den gestiegenen Anforderungen seitens der Kunden gründete die Wisag das Security & Safety Consulting Team, eine Gesellschaft, die sich auf die Beratung fokussiert hat. Manecke ist einer der ausgewiesenen Experten aus diesem Team. Zu seinem Job gehört es, professionelle Sicherheitsanalysen und -konzepte zu erstellen. Und immer geht es dabei darum, Antworten auf die Frage zu finden, wie gefährdet ein Kunde denn tatsächlich ist. „Die Shopping-Center-Welt ist sehr, sehr groß“, sagt er, „und leider haben wir in der Vergangenheit auch schon gesehen, dass sie zugleich sehr anfällig ist. In einem Center sind sehr viele Menschen an einem Ort – und diejenigen, die Schaden anrichten wollen, nutzen genau das aus.“

Wir alle wissen: 100-prozentige Sicherheit wird es niemals geben.

André Manecke

Senior Consultant, Wisag Security & Safety Consulting GmbH & Co. KG

Sicherheit im Fokus

Der German Council of Shopping Places (GCSP), der Interessenverband der Handelsimmobilienbranche in Deutschland, hatte schon früh damit begonnen, das Thema Sicherheit in den Fokus zu rücken. 2016, in der Folge des Anschlags von München, hatte der Verband die „Security Kommission“ gegründet, später wurde sie in „Risk & Resilience Board“ umbenannt. Dieses Expertengremium, dessen Sprecher Manecke ist, hat das Ziel, an einer zentral gemanagten Stelle die verfügbaren Informationen über Handlungsempfehlungen bei kritischen Lagen zusammenzustellen und die Branchenakteure miteinander zu vernetzen.

Jüngst hatte der GCSP eine Befragung zum Thema „Sicherheit in Handelsimmobilien“ durchgeführt. Mehr als 1.100 Objekte aus der Branche sind darin eingeflossen – 298 Shopping-Center, 758 großflächige Handelsimmobilien und 99 Fachmarkt-Center. Als alle Daten ausgewertet waren, zeichnete sich ein Bild davon, was die Branche derzeit bewegt: Nicht nur sorgen geopolitische Entwicklungen wie die Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten für Verunsicherung, es gibt auch immer mehr gefährliche Situationen in den Centern – laut der Erhebung wurden allein im Erhebungszeitraum 2023 knapp 3.000 Gewalttaten in den Objekten vor Ort oder in ihrer unmittelbaren Umgebung registriert. Bei mehr als 2.800 dieser Taten kamen ein Messer oder ein anderer gefährlicher Gegenstand zum Einsatz. Die Folge: Zahlreiche Unternehmen verspüren eine zunehmende Rat- und Hilflosigkeit.

Wer sich, wie André Manecke,mit dem Thema beschäftigt, weiß, dass bei der Betrachtung oder Erstellung eines Sicherheitskonzepts drei Komponenten von zentraler Bedeutung sind:der Faktor Mensch, die Technik und die Organisation. „Diese drei Themen in Einklang zu einem belastbaren Sicherheitskonzept zubringen – das ist die Herausforderung für alle Beteiligten.“

Für den Ernstfall gewappnet

Sicherheitskräfte müssten hinreichend geschult sein, um im Fall der Fälle ihre Aufgaben zu kennen und zu erledigen. Dafür müsse die Bewältigung von Krisensituationen regelmäßig trainiert werden. Technische Geräte, etwa im Bereich der Videoüberwachung sollten auf den neuesten Stand gebracht werden. Zudem sei wichtig, dass es funktionierende Strukturen für die Zusammenarbeit mit den Städten, Behörden und dem Land gebe. Wenn es zum Ernstfall kommt, müsse ein Krisenstab sehr schnell seine Arbeit aufnehmen können. Auch Kommunikationskonzepte für eine funktionierende Medienarbeit im Krisenfall müssten vorliegen. All dies zu erarbeiten, ist nicht nur aufwändig, sondern auch mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden.

Man weiß es vom Brandschutz: Sicherheit kostet Geld. Der GCSP geht aufgrund seiner Mitgliederbefragung davon aus, dass die Handelsimmobilienbranche jedes Jahr zusätzliche 40 Mio. Euro investieren müsste, um zeitgemäße Sicherheitsstrukturen zu schaffen. Angesichts in vielen Bereichen ohnehin steigender Kosten für Mieten, Energie oder Löhne, hört der Verband oft die Frage: „Wo sollen wir das Geld dafür hernehmen?“

Dabei sind die Mittel gut investiert.Denn Risiken und Gefahren gibt es zuhauf. Laut der Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts ist die Gesamtzahl der Straftaten zuletzt gestiegen. Hinzukommen terroristische Bedrohungen.„Die Bundesrepublik Deutschland steht unverändert im unmittelbaren Zielspektrum terroristischer Organisationen“, schreibt das Bundeskriminalamt. Erst im März warnte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mit drastischen Worten vor religiös motivierten Straftaten: „Die Gefahr durch islamistischen Terrorismus bleibt akut.“ Die Sicherheitsbehördenbeobachten die Lage aufmerksam. Doch was ist, wenn ein Mensch plötzlich eine Amoktat begeht?

„Wir alle wissen: 100-prozentige Sicherheit wird es niemals geben“, sagt André Manecke. „Aber um den Verunsicherungen durch die vielschichtigen Themen angemessen begegnen zu können, bedarf es auf der einen Seite intelligenter Präventivkonzepte und auf der anderen Seite tragfähiger Notfallpläne. Dabei reicht es nicht, einfach nur die Zahl der Security-Mitarbeiter in einem Center zu erhöhen oder zwei zusätzliche Überwachungskameras zu installieren.“

Handbuch: Terroranschläge und Amoklagen

Zusammen mit Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben hat ein Team von Fachleuten des „German Council of Shopping Places“ (GCSP) im Jahr 2019 das erste bundesweite Sicherheitshandbuch für die Shopping-Center und Handelsimmobilienbranche 2019 herausgegeben.

Ansprechpartner: GCSP-Generalsekretär Ingmar Behrens (ibehrens@gcsp.de)

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